Von Patrick Peters
Die Europäische Union verordnet strengere Vorschriften für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Das wirkt sich auf den Gebäudebestand aus. Dieser muss in den kommenden Jahren massiv saniert werden.
Dass die Diskussion um den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft verstärkt den Immobiliensektor in den Blick nimmt, ist nicht verwunderlich. Schließlich ist der Gebäudebestand einer der Emissionstreiber schlechthin: Immobilien verursachen fast 40 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Umfangreiche energetische Sanierungen sind die wichtigste Maßnahmen, um diesem Missstand zu begegnen. Beispielhafte Berechnungen der Einsparpotenziale von energetischen Sanierungen unter anderem für Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser und Reihenhäuser zeigen, dass je nach Umfang der Maßnahmen CO2-Einsparungen von rund 15 bis mehr als 90 Prozent machbar wären.
Nachhaltigkeitsregeln für Immobilien entscheidend für Klimaziele der EU
Damit dieser entscheidende Faktor nicht der Freiwilligkeit der Immobilieneigentümer überlassen bleibt, hat sich der Rat der Europäischen Union Ende Oktober auf strengere Vorschriften für die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden geeinigt. Die Hauptziele der sogenannten EU-Gebäuderichtlinie bestehen darin, dass alle neuen Gebäude spätestens 2030 Nullemissionsgebäude sein und dass bestehende Gebäude bis 2050 in Nullemissionsgebäude umgebaut werden sollten. Im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsprozesses muss sich der Rat nun noch mit dem EU-Parlament einigen. Dann tritt die neue EU-Gebäuderichtlinie in Kraft.
Dazu sagt Jozef Síkela, tschechischer Minister für Industrie und Handel: „Der Gebäudesektor ist von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung der Energie- und Klimaziele der EU für 2030 und 2050. Darüber hinaus wird die heute erzielte Einigung den Bürgerinnen und Bürgern dabei helfen, erhebliche Energieeinsparungen zu erzielen. Bessere und energieeffizientere Gebäude werden die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger verbessern und gleichzeitig ihre Energiekosten senken und die Energiearmut verringern.“
Kommen Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz?
Für bestehende Gebäude haben sich die Mitgliedstaaten darauf geeinigt, Mindestvorgaben für die Gesamtenergieeffizienz einzuführen, die der maximalen Menge an Primärenergie entsprechen, die Gebäude jährlich pro Quadratmeter verbrauchen können. Dies soll Renovierungen anstoßen und dazu führen, dass es mit der Zeit keine Gebäude mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz mehr gibt und der nationale Gebäudebestand kontinuierlich verbessert wird. Bei der Festlegung der nationalen Pfade sollen nach den Vorstellungen des Rates der Europäischen Union die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass der durchschnittliche Primärenergieverbrauch des gesamten Wohngebäudebestands bis 2033 mindestens dem Niveau der Gesamtenergieeffizienzklasse D entspricht und bis 2040 mindestens einem national bestimmten Wert entspricht, der sich aus einer schrittweisen Verringerung des durchschnittlichen Primärenergieverbrauchs von 2033 bis 2050 entsprechend dem Umbau des Wohngebäudebestands in einen Nullemissionsgebäudebestand ergibt. Die Mitgliedstaaten verständigten sich zudem darauf, alle Nichtwohngebäude wie Büro- oder Einzelhandelsgebäude bis 2030 unter dem Schwellenwert des Primärenergieverbrauchs von 15 Prozent und bis 2034 unter dem Schwellenwert von 25 Prozent zu bringen.
Mitgliedstaaten können Regeln für Neubau und Sanierung verschärfen
„In der neuen EU-Gebäuderichtlinie werden also vielfältige Vorgaben zu finden sein, wie Gebäude demnächst gebaut beziehungsweise saniert werden müssen, um die Standards zu erfüllen. Und die Mitgliedstaaten können diese Regeln sogar noch verschärfen, wir sprechen also bei den Vorgaben nur von Mindeststandards“, kommentiert Dieter Eimermacher, Sachverständiger für Immobilienbewertung und Autor des Buches „Klimaschutz und Nachhaltigkeit – so werden unsere Immobilien grün: Zukunftssicher in Immobilien investieren mit ESG, SDG, C2C, Green Deal & Co.“. Verschärfte Minderungsziele seien bereits Teil der Änderung des Klimaschutzgesetzes vom 18. August 2021. Und das Sofortprogramm vom 13. Juli 2022 der Bundesregierung sehe die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) vor, die im Zeitraum 2022 bis 2030 zu einer zusätzlichen Einsparung von 43,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent führen soll.
Gigantischer Kapitalbedarf, um Nachhaltigkeitsziele zu erreichen
Aber was heißt das jetzt konkret für Eigentümer und Investoren, wenn beispielsweise bis spätestens 2030 kein Gebäude mehr der schlechtesten Effizienzklasse G angehören soll? Betroffen wären europaweit mehr als 15 Prozent der Altbauten, die besonders viel Energie verbrauchen. Drei Millionen Gebäude wären das laut dem Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW allein in Deutschland, die bis 2030 renoviert werden müssten. Der Kapitalbedarf ist selbstredend gigantisch. Die EU-Kommission beziffert die Höhe der zusätzlichen Investitionen laut dem Fachportal Haufe.de auf etwa 120 Milliarden Euro pro Jahr für Wohngebäude und weitere 75 Milliarden Euro für Gebäude der öffentlichen Hand und des Dienstleistungssegments für mehr Energieeffizienz. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) beispielsweise war aus diesem Grund schon nach Veröffentlichung der ersten Fassung vor einem Jahr mit der EU-Gebäuderichtlinie nicht einverstanden. Diese bedeute nichts Geringeres als eine ausgewachsene Renovierungspflicht für viele Immobilienbesitzer und könne zu einer Rentabilitätslücke führen. Der Vorschlag schieße weit über das Ziel hinaus.
Experte rät: Zügig entscheiden, nachhaltig sanieren
Dieter Eimermacher, der auch im Immobilien-Portfoliomanagement und bei nachhaltigen Sanierungen berät, sieht daher große Herausforderungen auf Eigentümer und Investoren zukommen. „Sie sind gefragt, zügig professionelle Bestandsanalysen durchzuführen, um die Effizienzklassen zu bestimmen und auf dieser Basis über die notwendigen Sanierungsschritte zu entscheiden. Sie müssen auch damit rechnen, dass, je näher die Stichtage rücken, energieineffiziente Immobilien nur noch schwierig zu vermieten beziehungsweise zu verkaufen sein werden.“
Daher benötigten sie je nach Zustand ihrer Immobilie ausreichendes Kapital für die allfälligen Sanierungen, betont Dieter Eimermacher. Er weiß aus der Praxis, dass die energetische Sanierung eines größeren Gebäudes locker mehrere 100.000 Euro kosten kann. „Gegebenenfalls kann es sich also lohnen, das Immobilienportfolio zu bereinigen und durch den Verkauf eines Objekts das Kapital für eine zukunftsfähige Sanierung des übrigens Bestandes zu erhalten. Auf keinen Fall sollten nur die nötigsten Maßnahmen vorgenommen werden, um Mindestanforderungen zu erfüllen. Das Ziel muss sein, die Immobilien für die nächsten Jahrzehnte fit zu machen.“
Wichtiger Hinweis: Bei dem verfassten Text handelt es sich um die Meinung des Autors. Er stellt weder eine Kauf- bzw. Verkaufsempfehlung oder eine Beratung dar. Beratungen können immer nur persönlich geschehen. Wenn Sie eine Beratung wünschen, nutzen Sie bitte eine der Kontaktmöglichkeiten.