Alle, die in Deutschland schon immer gegen Aktien waren, fühlten sich in der vergangenen Woche durch folgende Meldung aus Norwegen bestätigt: Der norwegische Staatsfonds hat 2022 den mit Abstand größten Verlust seiner Geschichte eingefahren.
Der weltgrößte staatliche Investitionsfonds verlor im vergangenen Jahr 1,64 Billionen Kronen. Das sind umgerechnet 152 Milliarden Euro und mehr als doppelt so viel wie der bisher größte Verlust von 633 Milliarden Kronen im Finanzkrisenjahr 2008. Und jetzt will die Bundesregierung demnächst auch noch in Aktien investieren, um die gesetzliche Rente zu stärken? Das kann ja nicht gut gehen. „Unser Rentensystem lässt sich nicht durch Aktienspekulationen fit für die nächsten Jahrzehnte machen“, sagte der Grünen-Sozialexperte im Bundestag, Frank Bsirske. Michaela Engelmeier Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD) stellt fest: „Der SoVD ist davon überzeugt, dass auf dem Aktienmarkt keine guten Rentenpolitik zu machen ist! Die Menschen brauchen für ihre Altersvorsorge Sicherheit.“ Dafür sei das umlagefinanzierte System der gesetzlichen Rentenversicherung die beste Option. Und der DGB rechnet bauernschlau vor, dass ja erstmal über einen gewissen Zeitraum Geld eingezahlt und ein Kapitalstock aufgebaut werden müsse, damit man später damit am Kapitalmarkt eine Rendite erzielen könne. Während dieser Zeit würden die Renten dadurch nicht erhöht werden. Besser wäre es doch, den Bundeszuschuss, der aus Steuern finanziert wird, zu steigern. Die Rente ist also sicher? Und Investitionen in Aktien sind Zockerei und Spekulation? Aua.
Es wohl eher so: Der Bundeszuschuss zur staatlichen Rente wird ohnehin stetig erhöht, weil das Umlagesystem sich nicht mehr selbständig trägt. Wenn wir so weitermachen wie bisher, geht bald die Hälfte des Bundeshaushaltes für die Rente drauf. Und dann reden wir noch nicht über die horrend hohen, immer weiter steigenden Pensionen für Beamte, die niemals in die Rentenkasse eingezahlt haben. Die Stützung durch eine kapitalmarktbasierte Komponente war deshalb schon lange überfällig. Das hat die Ampel-Koalition immerhin erkannt und deshalb die Idee aus dem FDP-geführten Finanzministerium durchgewinkt, mal vorsichtig mit der Einzahlung von zehn Milliarden Euro jährlich anzufangen, um einen Kapitalstock aufzubauen, der irgendwann einmal dazu beitragen kann, dafür zu sorgen, dass der Bundeszuschuss nicht weiter steigt. Viel mehr darf man leider nicht erwarten. Zehn Milliarden im Jahr ist ein Kleckerbetrag. Über 15 Jahre hinweg will der Bund damit dann 150 Milliarden Euro investiert haben. Würde das Geld durchschnittlich mit einer Rendite von optimistischen fünf Prozent per annum angelegt werden, würde der Kapitalstock nach 15 Jahren auf etwa 280 Milliarden Euro angewachsen sein. Möglich wäre dann eine potenzielle Ausschüttungssumme von rund 14 Milliarden Euro jährlich, je nachdem, wie sich der Kapitalmarkt entwickelt. Nur mal so, um das richtig einzuordnen: Schon jetzt zahlt der Bund jährlich rund 100 Milliarden Euro drauf, um die Rentenansprüche der Sozialversicherten zu erfüllen. In den zurückliegenden vier Jahren ist der Zuschuss insgesamt um rund 20 Prozent gestiegen – Tendenz steigend. Die Aktienrente ist in ihrer derzeit noch geplanten Dimension bei nüchterner Betrachtung also nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Mit etwas Glück lässt sich damit die weitere Steigerung des Bundeszuschusses abmildern.
Die Argumente der Aktienkritiker laufen deshalb ins Leere. Vielmehr müsste der Kapitalstock zur Stabilisierung der staatlichen Rente viel schneller und mit mehr Geld aufgebaut werden. Doch dazu können sich Grüne und SPD offensichtlich nicht durchringen. Und der Kanzler verspricht lieber mal schnell aus der hohlen Hand dreistellige Summen für Bundeswehr und Doppelwumms, als sich dem seit Jahren drängendsten Problem unserer Volkswirtschaft zuzuwenden. Dass das Thema in der öffentlichen Diskussion überhaupt noch einmal aufgetaucht ist, ist pikanterweise ausgerechnet Bundessozial- und Arbeitsminister Hubertus Heil zu verdanken, der Mitte Januar verkünden ließ, er plane eine Aktienrücklage für die Rente. Als ob es seine Idee gewesen wäre. Und was heißt „plane“? Die Pläne für die Aktienrente waren schon 2022 fertig. Die Koalition wollte damit noch im vergangenen Jahr starten. Die FDP machte Druck, doch Heils Ministerium bremste mit Detailfragen.
Und aus Rücksicht auf die Sozialverbände, die dem Minister in den Ohren liegen, an der klassischen Rente festzuhalten und stattdessen lieber die Steuern zu erhöhen. Die Angst vor der Aktie ist groß. Siehe oben. Deshalb stockt das Projekt.
Liefert der historisch höchste Wertverlust des norwegischen Staatsfonds, der vielen als Vorbild für einen eigenen staatlichen Rentenstützungsfonds dient, den Aktiengegnern nun tatsächlich ein passendes Argument? Definitiv nicht. Im Gegenteil. Ende vergangenen Jahres hatte der Fonds einen Umfang von 12,4 Billionen Kronen (1,15 Billionen Euro). Seit Jahresbeginn wuchs er wieder um rund acht Prozent auf ein Volumen von aktuell umgerechnet 1,23 Billionen Euro. Das sind knapp 230.000 Euro pro norwegischem Staatsbürger. Von solchen Dimensionen sind wir hier in Deutschland noch weit entfernt. Wir sind noch nicht einmal bei null gestartet. Und es drängt sich der Verdacht auf, dass das passiert, was immer passiert, wenn die Zögerer und Zauderer das Sagen haben: Es wird ein neuer Ausschuss gebildet. Der beschließt erst einmal nichts. Und irgendwann gehen die Ausschussmitglieder in Pension. Oder in Rente, zu einem Drittel bezuschusst vom Bund. So schließt sich der Kreis. Ohne Aktien.
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