Der Aufstieg von Bitcoin und anderen Kryptowährungen ist für viele Investoren nurmehr schwer zu ignorieren. Wie riskant ist er tatsächlich? Der Bitcoin, so der Hedgefonds-Milliardär Ray Dalio kürzlich in einem Interview mit CNBC, werde zu einer Art „digitalem Gold“.
Das globale Flaggschiff unter den Kryptowährungen hat zwar noch einen weiten Weg vor sich, bevor es mit seit Jahrtausenden begehrtesten Edelmetall der Welt gleichziehen kann. Fans des Bitcoin vergleichen ihn dennoch mit Gold, wenn sie auf die harte Obergrenze für die Anzahl der Bitcoin verweisen, die jemals erzeugt werden können, und sehen darin eine ultimative Inflationsabsicherung.
Die anhaltende Inflation erhöht den Druck auf Asset-Allokatoren, Absicherungen in ihren Portfolios einzubauen. So ist beispielsweise die Inflation in den USA im vergangenen Oktober-Monat auf 6,2% gestiegen – der stärkste Anstieg seit November 1990.
Der Inflationsschock lässt Krypto-Kurse steigen
Nach dem Inflationsschock in den USA stieg der Bitcoin-Kurs am 10. November sprunghaft um 2% und erreichte ein Rekordhoch von $68.000. Seitdem ist er jedoch wieder unter die $60.000-Marke gefallen, was auf die starke Volatilität am 16. November zurückzuführen ist. So wurden an jenem Tag alleine insgesamt $400 Milliarden von den $3 Billionen, die der Kryptomarkt in der Vorwoche erreicht hatte, wieder abgezogen.
Was die langfristigen Aussichten von Bitcoin betrifft, so haben sich die Zahl seiner Fürsprecher in den letzten 18 Monaten erheblich erweitert – von den Meme-schreienden Messageboard-Massen bis hin zu einigen der angesehensten Finanzinstitutionen wie Fidelity und JP Morgan.
Das britische Multi-Asset-Investmenthaus Ruffer hat in diesem Jahr seine Investitionen schneller abgeschlossen, als es dem Inflationsschutz entspricht, den das Haus so gerne anpreist.
Mehr als ein Fünftel neugierig auf Krypto
Bei einer Umfrage auf einem Event von Citywire gab kürzlichen mehr als ein Fünftel der Teilnehmer zu, zumindest neugierig auf Krypto-Währungen zu sein und den Kauf eines regulierten Produkts zu erwägen, das auf einem echten oder synthetischen Bitcoin-Engagement basiert.
Können Bitcoin also der Absicherung vor Inflation dienen?
Laut einer JP Morgan-Analyse im Oktober war die Einschätzung, dass Bitcoin eine effektive Absicherung gegen die Entwertung traditioneller Währungen darstellen, der Hauptgrund für den jüngsten Anstieg auf ein neues Rekordhoch.
Die Investmentbank ist zwar nicht völlig von der schützenden Eigenschaft von Bitcoin überzeugt, stellte in ihrer Analyse aber fest, dass „das Wiederaufkommen von Inflationsbedenken unter den Anlegern das Interesse an Bitcoin als Inflationsschutz wiederbelebt hat“.
Was uns die Geschichte lehrt
Ein weiterer Bitcoin-Skeptiker ist David Coombs, der Leiter der Multi-Asset-Investments von Rathbones. Coombs ist der Ansicht, dass sich Kryptowährungen ihren Platz in einem Multi-Asset-Fonds erst noch verdienen müssen. Gleichzeitig betont er, dass dies eher auf ihre kurze Erfolgsbilanz als auf eine negative Bewertung zurückzuführen sei.
„Kryptowährungen gibt es noch nicht sehr lange – historisch gesehen gibt es hier also keinen Präzedenzfall“, so Coombs, der von Citywire mit einem Plus-Rating bewertet wird. „Und wenn wir über die Jahrzehnte hinweg andere Anlageklassen (wie Kunst oder Oldtimer) betrachten, bei denen man versucht hat, sie in eine Schublade zu stecken, ist das oft gescheitert.“
„Wenn es zu einem großen Black-Swan-Ereignis kommt, wollen die Leute plötzlich keine Bilder oder Autos mehr kaufen, weil sie kein Vertrauen mehr in irgendetwas haben. All diese Vermögenswerte, von denen man dachte, sie seien unkorreliert, sind es in einem normalen Konjunkturzyklus nicht, wohl aber während eines Black-Swan-Ereignisses.“
Starke Korrelation mit US-Aktienmarkt
In einer im Mai veröffentlichten Studie mit dem Titel Die besten Strategien für inflationäre Zeiten („The best strategies for inflationary times“) untersuchten die Autoren, darunter der Strategieberater der Man Group und der Wirtschaftswissenschaftler der Duke University, Campbell Harvey, die Kursentwicklung von Bitcoin während der Covid-Pandemie. Dabei wurde festgestellt, dass der Bitcoin – wenn überhaupt – stark mit dem US-Aktienmarkt korreliert.
„In der Theorie sollte der Bitcoin ein Null-Inflations-Beta und ein Null-Markt-Beta haben, doch die Realität sieht anders aus“, so die Autoren. Im März 2020 zum Beispiel, auf dem Höhepunkt der Covid-19-Krise, begannen die Anleger, das Risiko zu reduzieren. Der Aktienmarkt fiel um 34%, Gold fiel um 12% und der Bitcoin stürzte um 53% ab, da die Anleger ihr Geld in sichere US-Staatsanleihen investierten.
„Unsere Analyse zeigt, dass eine unerwartet hohe Inflation negativ mit den US-Aktienrenditen verbunden ist. Die Korrelation zwischen den Renditen von US-Aktien und Bitcoin deutet darauf hin, dass Bitcoin in Zeiten unerwarteter Inflation möglicherweise keine positiven realen Renditen liefert.“
„Es ist keine dumme Behauptung, dass Bitcoin Ähnlichkeiten mit Gold hat, und aus dieser Perspektive kann er als Absicherung gegen Inflation fungieren“ — Florian Ginez, WisdomTree
Eine weitere Problematik, die von den Autoren der Studie angesprochen wird, ist, dass Bitcoin mehr als fünfmal volatiler ist als der S&P 500 oder Gold, was ihn möglicherweise zu einer „unzuverlässigen Absicherung“ macht, da einige andere Studien Gold aufgrund seiner Volatilität kurzfristig ebenfalls als unzuverlässige Absicherung einstufen.
Florian Ginez, Associate Director of Quantitative Research bei WisdomTree, konstatiert, dass es für ihn nicht genügend Daten gebe, um eine Anlageentscheidung auf der Grundlage der Idee von Bitcoin als Inflationsabsicherung zu treffen. Stattdessen sieht er es als ein Instrument zur Diversifizierung.
„Es ist nichts, wo man sich die Daten ansehen, eine Analyse durchführen und auf der Grundlage des tatsächlichen Verhaltens eine Schlussfolgerung ziehen kann“, so Ginez. „Ich halte es definitiv nicht für eine dumme Behauptung, dass Bitcoin Ähnlichkeiten mit Gold hat und aus dieser Perspektive als Absicherung gegen Inflation fungieren könnte. Aber für mich ist das ein sehr hypothetisches Szenario.“
Der Bitcoin als Game-Changer?
Dennoch zögert nicht jeder Finanzexperte, den Bitcoin als Absicherung gegen die Inflation starkzumachen. Zu denjenigen, die dazu kühne Thesen aufstellen, gehört Nigel Green, der Gründer der DeVere Group, die vor vier Jahren eine App für Krypto-Handel auf den Markt brachte.
Anfang November behauptete Green, dass der Hang der Zentralbanken zur expansiven Geldpolitik dem Bitcoin zu nie dagewesenem Erfolg verhelfen werde.
„Dieses Klima wird Bitcoin und anderen Kryptowährungen Auftrieb geben, da sie mit ihrer nachweislich begrenzten Angebotsmenge eine inhärent deflationäre Anlageklasse sind.“
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