Dass Inflation und Zinswende die Aktienkurse belasten, ist den meisten Investoren zwar bewusst. Dennoch rechnen viele damit, dass es bald schon wieder aufwärts geht. Bantleon-Ökonom Daniel Hartmann nimmt ihnen diese Hoffnung – er hält einen Kursrutsch um weitere 25 Prozent für wahrscheinlich.

Daniel Hartmann, Chefvolkswirt des Fondsanbieters Bantleon, rechnet mit weiter sinkenden Kursen risikobehafteter Anlageklassen. Die nahende Rezession sei zwar in aller Munde, aber viele Finanzmarktteilnehmer schienen nicht so recht daran zu glauben, so seine Beobachtung. „Offenbar regiert das Prinzip Hoffnung – so schlimm wird es schon nicht werden“, schreibt er in einer Markteinschätzung. Doch es dürfte anders kommen, mahnt der Ökonom.

„Der Grund für diese Prognose ist wie so oft unser Konjunkturausblick: Wir können derzeit gar nicht anders, als sowohl für die USA als auch für die Eurozone eine langanhaltende Rezession zu prognostizieren“, so Hartmann. Die hauseigenen Frühindikatoren ließen wenig Interpretationsspielraum: „Sie sind allesamt steil nach unten gerichtet und deuten auf eine Durststrecke hin, die sich bis Ende 2023 hinzieht – mit heftigen Folgen für die Finanzmärkte.“

25 Prozent Rückschlagpotenzial

Noch spiegelten die Aktienkurse gar nicht wider, dass mit der Wirtschaftsleistung auch die Unternehmensgewinne unter Druck geraten werden. „Viele Analysten rechnen nach wie vor damit, dass die Unternehmenserträge in den USA und Europa 2023 zulegen werden“, wundert sich Hartmann. Hier habe sich „enormer Revisionsbedarf“ aufgestaut, der sich in den nächsten Monaten entladen und dabei die Aktienkurse nach unten ziehen dürfte. „Das Rückschlagpotenzial für die europäischen und die US-amerikanischen Börsenindizes liegt bei 25 Prozent“, beziffert Hartmann den drohenden Kursrutsch. „Eine Besserung ist frühestens im zweiten Halbjahr 2023 in Sicht, wenn der konjunkturelle Tiefpunkt durchschritten wird.“

Auch andere risikobehaftete Anlageklassen dürften in „schwieriges Fahrwasser“ geraten, prognostiziert der Chefvolkswirt. „Bei Unternehmensanleihen sind an vorderster Stelle High-Yields zu nennen, die unter der Zunahme an Kreditausfällen und Ratingherabstufungen besonders leiden sollten.“ Bei diesen Papieren hält er eine Ausweitung der Risikoaufschläge gegenüber Top-Staatsanleihen um rund 250 bis 300 Basispunkte für wahrscheinlich.

Solide Staatsanleihen vor einem Comeback

Hartmanns Fazit: „Wer auf eine Jahresendrallye bei Aktien setzt, dürfte enttäuscht werden. Der Abwärtstrend sollte sich hier fortsetzen und 2023 aufgrund der Rezession der Weltwirtschaft sogar noch an Schärfe gewinnen.“ Dagegen dürften solide Staatsanleihen im kommenden Jahr ein Comeback feiern und wieder deutliche Kursanstiege verbuchen, prognostiziert der Bantleon-Experte. „Damit werden sie zugleich ihrer traditionellen Rolle als sicherer Hafen in schwierigen Zeiten gerecht.“

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