Die Märkte gehen davon aus, dass der Krieg gegen die Inflation gewonnen ist, und die Fed scheint auch dieser Meinung zu sein – aber stimmt das? Sonal Desai, CIO von Franklin Templeton Fixed Income, analysiert die Lage vor dem Hintergrund der jüngsten Sitzung der Federal Reserve.

Die Pressekonferenz im Anschluss an die jüngste Zinssitzung der US-Notenbank (31. Januar bis 1. Februar) vermittelte den Eindruck, als ob die Federal Reserve wieder in einer Zeit agiere, als sie ihre Auffassung vertrat, dass die Inflation „vorübergehend“ sei. Die Pressekonferenz war – überraschenderweise – von einem sehr zurückhaltenden Ton im Hinblick auf die Inflation geprägt, und die Finanzmärkte reagierten dementsprechend mit einer starken Rally.

Das Überraschendste waren die wiederholten Behauptungen des Fed-Chefs Jerome Powell, dass sich die finanziellen Bedingungen im vergangenen Jahr deutlich verschärft hätten. In Wahrheit hatten sie sich lediglich zwischen August und Anfang Oktober 2022 vorübergehend verschärft, nachdem die Fed eine entschlossenere Politik zur Eindämmung der Inflation signalisiert hatte; nur um die geldpolitischen Zügel danach wieder deutlich zu lockern.

Somit befanden sich Ende Januar dieses Jahres die finanziellen Bedingungen wieder auf dem Stand von Anfang April 2022 – womit die Fed-Pressekonferenz die unerwartete Rally bei US-Staatsanleihen und Aktien ausgelöst und damit de facto alle bisherigen geldpolitischen Straffungen rückgängig gemacht hat. Den gezielten Fragen der Pressevertreter auf der Konferenz zu dieser offensichtlichen Lockerung der finanziellen Bedingungen widersprach Powell nicht und bestätigte die Mutmaßungen somit.

Powell trug seine falkenhaften Argumente vor; aber es klang so, als würde er aus einem Drehbuch zitieren und nicht wirklich daran glauben. Für mich klangen seine Äußerungen eher oberflächlich und halbherzig.

Er sagte zwar, dass der Arbeitsmarkt immer noch zu angespannt sei. Er fügte indes hinzu, das gebe ihm Hoffnung, dass eine Desinflation mit einem minimalen Verlust an Arbeitsplätzen erreicht werden könne. Er wies darauf hin, dass es noch keine Anzeichen für eine Desinflation bei den Kerndienstleistungen (ohne Wohnungsbau) gebe – die etwa die Hälfte der von der Fed gemessenen Kerninflation ausmachen Der Fed-Chef äußerte sich aber zuversichtlich, dass sich eine Desinflation bei den Kerndienstleistungen bald einstellen werde. Powell warnte, dass es 2023 keine Zinssenkungen geben werde, sofern sich die Erwartungen der Fed hinsichtlich eines rezessionsfreien, stetigen, aber langsamen Rückgangs der Inflation bewahrheiten. Allerdings wies er darauf hin, dass Inflationsprognosen sehr schwierig seien und die Fed mit ihrer Einschätzung bisher nicht richtig gelegen habe – was darauf hindeuten könnte, dass die Finanzmärkte vielleicht zu Recht eine schnellere Desinflation erwarten.

Was Powell nicht gesagt hat

Noch wichtiger ist indes, was Powell nicht gesagt hat. Er wehrte sich nicht gegen die von den Pressevertretern konstatierte Lockerung der finanziellen Bedingungen, und in seiner Antwort auf eine Frage lehnte er es ab, anzuerkennen, dass die neue Situation die Aufgabe der Fed erschweren könnte, da sie die Inflationsrisiken erhöht und möglicherweise eine weitere Straffung der Politik erforderlich macht. Er erwähnte auch nicht, dass es durch die außergewöhnliche Stärke des Arbeitsmarkts unwahrscheinlich wird, dass das Lohnwachstum auf ein Niveau fällt, das mit dem Inflationsziel vereinbar ist. Die Märkte glauben, dass der Krieg gegen die Inflation bereits gewonnen ist – und Powell vermittelte den Eindruck, als folge er dieser Annahme.

Sicherlich gibt es mehrere Gründe, um in der Tat ein wenig optimistisch zu sein. So ist die Inflation zurückgegangen: Einige Messgrößen für das Lohnwachstum, insbesondere der Beschäftigungskostenindex, haben von einem sehr hohen Niveau aus zurückgesteckt. Auch die Mietpreisinflation dürfte sich verlangsamen, sobald neue und wieder günstigere Mietverträge in den Index einfließen. Und einige der verzögerten Auswirkungen der Zinserhöhungen der Fed müssen sich erst noch bemerkbar machen.

Deshalb glauben die Finanzmärkte, dass der Krieg gegen die Inflation bereits gewonnen ist. Und deshalb hegt die Fed die Hoffnung, dass die Inflation mit minimalem Schaden für die Beschäftigung und die Preisentwicklung von Vermögensanlagen eingedämmt werden kann. Denn wie in der Frage- und Antwortrunde der Fed-Sitzung betont wurde, sind sowohl die Inflation als auch das Lohnwachstum zurückgegangen, obwohl die Arbeitslosenquote auf einem 50-Jahres-Rekordtief liegt und die Zahl der offenen Stellen die der Arbeitssuchenden bei weitem übersteigt.

Es gibt jedoch Grund zur Sorge, dass der vor uns liegende Weg sehr viel schwieriger sein wird.

  • Die Lockerung der finanziellen Bedingungen hat alle Zinserhöhungsbemühungen der Fed ausgeglichen; dies wird dem Immobiliensektor eine Atempause verschaffen und die Wirtschaft unterstützen, die sich bereits als recht widerstandsfähig erwiesen hat. Dies ist besonders hervorzuheben – die finanziellen Bedingungen haben sich so stark gelockert, dass es so aussieht, als hätte es die Zinserhöhungen der Fed nie gegeben.
  • Der Arbeitsmarkt bleibt außergewöhnlich angespannt. Die jüngsten Zahlen der Job Openings and Labor Turnover Survey (JOLTS) zeigen, dass das Verhältnis von offenen Stellen zu Arbeitslosen fast wieder den Höchststand von zwei offenen Stellen für jeden Arbeitssuchenden erreicht hat. Zwar gab es keine Lohn-Preis-Spirale, doch bewegen sich verschiedene Messgrößen für das Lohnwachstum immer noch im Bereich von 4 bis 6 Prozent, was es sehr viel schwieriger machen könnte, die Inflation unter 4 bis 5 Prozent zu drücken – selbst in Anbetracht der Tatsache, dass die Arbeitnehmer bereits viel Kaufkraft eingebüßt haben.
  • Und während Powell behauptete, dass die kurzfristigen Inflationserwartungen nun ebenfalls gut verankert sind, liegen sie laut der jüngsten Umfrage der New Yorker Fed bei 5 Prozent (auf Sicht von einem Jahr), was eher mit dem derzeitigen Lohnwachstum von 4 bis 6 Prozent als mit dem Inflationsziel der Fed von 2 Prozent vereinbar zu sein scheint.

Kurz gesagt: Meiner Meinung nach sind die Märkte – und in diesem Stadium auch die Fed – zu optimistisch, was die Inflationsaussichten angeht.

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