Mehr als jeder Vierte von 80 untersuchten Lebensversicherern in Deutschland hat 2022 nicht ausreichend hohe Renditen am Kapitalmarkt erwirtschaftet, um damit seine Garantieversprechen aus der Vergangenheit bedienen zu können. Das zeigt ein aktuelles Anbieter-Ranking, bei dem es viel Bewegung gibt.

Längst nicht alle deutschen Lebensversicherer haben im vorigen Jahr genügend Rendite erzielt, um die Garantieversprechen gegenüber ihren Kunden zu erfüllen. Das zeigt eine jetzt veröffentlichte Analyse der Versicherungsberater von Zahl & Recht aus Vechta. Das Unternehmen hat sich darauf spezialisiert, Lebens- und Rentenversicherungen zu überprüfen und zu bewerten. Aktuell haben die Analysten die bis Anfang Oktober veröffentlichten Berichte ausgewertet, die Deutschlands Lebensversicherer einmal im Jahr laut der Mindestzuführungsverordnung veröffentlichen müssen. Darin sollen sie ihre Ertragsquellen im vorherigen Geschäftsjahr offenlegen.

Insgesamt 22 der 80 untersuchten Lebensversicherer haben 2022 demnach mit einem negativen Zinsergebnis abgeschlossen. Das heißt, ihre Kapitalerträge lagen jeweils unter ihren Rechnungszinsverpflichtungen. Im Vorjahr galt das zwar für lediglich 21 Anbieter, doch der aufsummierte Fehlbetrag aller betroffenen Gesellschaften sank gegenüber 2021 erheblich von 639,1 auf nur noch 356,5 Millionen Euro Ende 2022. Denn durch das steigende Zinsniveau mussten die deutschen Versicherer die Zinszusatzreserve nicht weiter aufstocken. Stattdessen schrumpfte dieser, in Zeiten negativer Zinsen aufgebaute, Kapitalpuffer um etwa 4 Prozent auf nur noch rund 92 Milliarden Euro Ende 2022.

Von den 22 Lebensversicherern mit negativem Zinsergebnis im Geschäftsjahr 2022 hatte die Hälfte 2021 noch keine Probleme, ihre Garantien mit der eigenen Kapitalanlage zu erwirtschaften. Das waren in alphabetischer Reihenfolge die Anbieter Athora, Barmenia, Deutsche Ärzteversicherung, Dialog, Entis, Ergo Vorsorge, Interrisk, Münchener Verein, Signal Iduna, Skandia und Volkswohl-Bund. Und die folgenden zehn Gesellschaften, die 2021 noch einen Fehlbetrag auswiesen, sind jetzt wieder im Plus: Bayern-Versicherung, Condor, Debeka, Ergo, Frankfurt Münchener, Generali Deutschland, Landeslebenshilfe, LVM, Nürnberger Beamten, R + V Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.

Zinsergebnis nicht das einzige Bewertungskriterium

Unter anderem aufgrund der schnellen Wechsel von negativen und positiven Zinsergebnissen auf Jahressicht sollten Verbraucher den Ertragskennzahlen nicht zu viel Gewicht beimessen, betonen die Studienautoren von Zahl & Recht. Die Kapitalerträge können von den Versicherern auch durch die Auflösung von Bewertungsreserven als geschäftspolitische Entscheidung beeinflusst werden. Neben dem Zinsergebnis gibt es eine Vielzahl weiterer Prüfkriterien – wie beispielsweise die Solvenzquote oder die Höhe der Bewertungsreserven und der Rückstellungen für Beitragsrückerstattung. Auch sie seien entscheidend, um die Finanzkraft eines Versicherers zu bewerten.

Aktuell belasten beispielsweise stille Lasten die Bilanzen der deutschen Lebensversicherer. Sie wachsen immer weiter an, weil die Kurse der niedrig verzinsten Anleihen in ihren Beständen bei den seit einem Jahr wieder steigenden Marktzinsen sinken. Für die Versicherer werden die Anleihen zwar nur dann zum Verlustgeschäft, wenn sie die Papiere vorzeitig verkaufen. Doch hierzu könnten sie gezwungen seien, falls ihre Liquidität knapp wird. „Dazu könnte es beispielsweise kommen, wenn das Neugeschäft stark zurückgeht oder viele Verträge gekündigt oder beitragsfrei gestellt werden, da diese aufgrund des Zinsanstiegs finanziell unattraktiv geworden sind“, warnen die Studienautoren.

Wichtiger Hinweis: Bei dem verfassten Text handelt es sich um die Meinung des Autors. Er stellt weder eine Kauf- bzw. Verkaufsempfehlung oder eine Beratung dar. Beratungen können immer nur persönlich geschehen. Wenn Sie eine Beratung wünschen, nutzen Sie bitte eine der Kontaktmöglichkeiten.