Die Federal Reserve steht mit Bleifuß auf der Zinsbremse, um die hohe Inflation einzudämmen. Das ist prinzipiell gut so, meint Stephan Albrech. Doch messe die US-Notenbank das Inflationsrisiko mit den falschen Instrumenten. Der Vorstand der Albrech & Cie. Vermögensverwaltung meint: Die Fed könnte übertreiben. Es wäre nicht ihr erster Fehler.
Jerome Powell klingt seit Monaten wie ein hartgesottener Zins-Falke. Die Fed werde alles tun, so der Notenbank-Chef, um der Inflation mit Zinserhöhungen das Rückgrat zu brechen. 2021 hatte er noch davon gesprochen, nicht einmal an eine Zinserhöhung zu denken. Nun können es offenbar nicht genug sein. Die harte Haltung bringt seit Monaten Anleihen, Aktien, Immobilien und Gold unter Druck. Doch ist das superharte Vorgehen nötig?
Zugegeben, wir wissen es nicht wirklich. Was uns aber auffällt: Um zu prüfen, ob die Zinserhöhungen den gewünschten Effekt bringen, nutzt die Fed a) veraltete Daten, die von nachlaufenden Wirtschafts-Indikatoren stammen und achtet sie b) kaum auf Botschaften, die die Schwarmintelligenz der Märkte Tag für Tag sendet. Damit läuft die Notenbank Gefahr, viel zu spät den Fuß von der Zinsbremse zu nehmen – und das kann temporär viel Vermögen vernichten, bevor die Kurse wieder zulegen.
Notenbank starrt sinnloserweise auf den Arbeitsmarkt
Schauen wir genauer hin: Kürzlich gingen die Märkte auf Tauchstation, weil der US-Arbeitsmarkt sich nur wenig abgeschwächt hatte. Was eigentlich positiv ist, denn Arbeitnehmer konsumieren und stützen ja die Wirtschaft, wurde negativ interpretiert. Denn ist der Arbeitsmarkt stark, drohen weitere Zinserhöhungen, was wiederum schlecht für fast alle Anlageklassen ist.
Dabei ist das Starren auf die Jobzahlen sinnlos, denn der Arbeitsmarkt ist ein nachlaufender Indikator und wird es immer sein. Auf seiner Basis lässt sich die künftige Inflation also nicht einschätzen. Warum reagieren die Märkte dann so heftig auf den starken Arbeitsmarkt? Ganz einfach, weil die Fed diese Zahlen sehr wichtig nimmt. Und wenn die wohl mächtigste Behörde der Welt ihre Entscheidungen trifft, indem sie zeitlich in den Rückspiegel schaut, müssen alle anderen dieses Spiel mitmachen – ob sie wollen oder nicht.
Terminmärkte glauben Powells Rhetorik nicht
Nicht nur hier zeigen sich die Notenbanker resistent gegen andere Erkenntnisse. So signalisieren die Terminmärkte für Anleihen seit Monaten, dass sie Powell nicht glauben. Sie gehen seiner harten Zins-Rhetorik zum Trotz davon aus, dass er im Frühjahr 2023 die Zinsen senken wird. Am Bond-Markt sind institutionelle Anleger zugange, die Milliarden, wenn nicht Billionen an Dollar bewegen. Diese kühl kalkulierenden Köpfe glauben, dass die Inflation im ersten Quartal 2023 schnell sinken und die Wirtschaft womöglich spürbar abkühlen wird.
Das könnte einem Notenbanker doch zu denken geben! Warum wartet man nicht die Wirkung der bisherigen Zinserhöhungen ab, statt immer weiter die Zinsen zu erhöhen, wenn man danach womöglich eine abrupte Kehrtwende einschlagen muss?!
Last but not least: Schon einfache Mathematik lässt erkennen, dass die Inflationsrate bald von sich aus sinken wird. Da sich dieser Wert auf den Vorjahresmonat bezieht und viele Komponenten seit Monaten im Preis sinken, werden die Verbraucherpreise nicht mehr so stark ansteigen wie bislang. Die Inflationsrate wird also zurückgehen – und das könnte den Weg für Zinssenkungen freimachen. Die Finanzmärkte werden das dankbar aufnehmen.
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